Der Fachbereich Wirtschaftsinformatik der FH Bern führte im Herbstsemester 2013 erstmals die Vorlesung Testmanagement durch. Als Consultant aus der Industrie hatte ich die Ehre diese spannende Vorlesung zu halten. Auf diesem Wege möchte ich euch meine persönlichen Eindrücke vermitteln und ein paar Highlights hervorheben.
Der Test von Software hat in Zeiten von Kosteneinsparungen, Outsourcing und schnellem Time-to-Market bei gleichzeitig immer komplexeren IT-Systemen eine immer höhere Bedeutung.
Fehler in IT-Systemen werden Unternehmen heute nicht selten in Echtzeit über Twitter und Facebook unter die Nase gerieben.
Die Anforderungen an das Testmanagement sind entsprechend hoch: Neben guten Fach- und Methodik-Kenntnissen wird auch ein hohes Mass an Sozialkompetenz gefordert.
Der Inhalt der Vorlesung wurde anhand einer Mischung aus Theorie, Fallbeispielen, Praxisübungen als auch Praxisvorträge vermittelt. Dadurch wurde das gesamte Spektrum des modernen Testmanagements abgedeckt. Themen wie der manuelle Test einer iPhone App, das Management eines Teams von professionellen Testern in einer Grossbank, Fallstricke beim Einsatz von Testautomation und die Durchführung von Ausfalls- und Performancetests auf hochverfügbaren Grossrechnern vertiefen auch Themen wie wirtschaftliche Bedeutung von IT-Systemen, Softwarearchitektur und Projektmanagement. Alle Studenten haben am Ende die internationale Prüfung zum ISTQB zertifizierten Testexperten (Foundation Level) absolviert und erfolgreich bestanden. Das Zertifikat ist eine wichtige Voraussetzung für eine später Anstellung als Tester oder Testautomatisierer.
Der Aufbau der Vorlesung bestand zunächst aus 2 Tagen Theorie, wie sie auch in den normal von der SwissQ durchgeführten ISTQB Zertifizierungskursen unterrichtet wird. Somit konnte die Grundlage für Fallstudien und Praxisübungen geschaffen werden. Die Basis für das gesamte Testing ist das V-Modell (siehe Abbildung). Im Folgenden nun einige der Highlights:
Reviews
Statt das wichtige Thema Reviews nur in der Theorie zu besprechen, haben wir ein reales Pflichtenheft genommen und ein formales Review durchgeführt. Dazu wurden die Studenten jeweils mit einer Rolle (Autor, Tester, Sponsor, Moderator, etc) beauftragt. Dies hat zusätzlichen Mehrwert geschaffen, der Tester hatte z.B. die meisten Kritikpunkte anzubringen, während der Sponsor sich auf die Priorisierung der Use Cases konzentriert hat.
Anforderungsbasierte Testfallermittlung
Das bereits bekannte Pflichtenheft enthält eine Reihe von Use Cases. Die Studenten haben aus diesen Testfälle abgeleitet. Das Lernziel war nicht nur die Anwendung der gelernten Testfallermittlungsmethoden, die Studenten konnten auch ein Gefühl dafür kriegen, wie schwer Dinge wie Priorisierung oder Detaillierungsgrad in der Praxis sind. Die anschliessende Diskussion war entsprechend fruchtbar.
Mobile Testing
Die Testmethodik SET (Strukturiert Exploratives Testen) wurde an einer reellen App angewandt. In Zweierteams wurden konkrete Testaufträge vergeben und durchgeführt, sowie die gefundenen Bugs dokumentiert. Dabei kamen auch Themen wie Usability und Gerätevielfalt im mobilen Bereich zum Einsatz.
Neben dem reinen Test wurde die App auch für die Durchführung einer Aufwandsschätzung verwendet. Methoden wie Bottom Up Analyse und Experten Befragung kamen zum Einsatz. Die Ergebnisse der Schätzung würden im Echtfall zu einer konkreten Offerte führen, was ausführlich besprochen wurde. Die Bedeutung von Qualität in einem kostensensitiven Umfeld wurde somit deutlich. Direkte Folge hiervon ist die Vertiefung des so wichtigen Themas Priorisierung gewesen (bei begrenzten Mitteln kann man nicht maximale Qualität erreichen und muss sich auf das „wichtige“ konzentrieren).
Performanztests
Die Beschreibung nicht-funktionaler Anforderungen und ihre Validierung sind Themen, die in vielen Projekte stiefmütterlich behandelt werden. Entsprechend wichtig ist die Sensibilisierung von zukünftigen Projektleitern und Auftraggebern für diese Themen.
In der Vorlesung haben wir zunächst gelernt, wie man methodisch bei der Ermittlung von Performanzkriterien vorgeht. Im Anschluss haben wir mehrere Praxisbeispiele als Fallstudien besprochen und schliesslich haben die Studenten in Zweiergruppen selbst einen kleinen Performanztest durchgeführt. Von der Planung, über die Erstellung von Skripten mit JMeter bis hin zur Durchführung von Szenarien – inkl. Ausfall des Servers. Als Testsystem konnte hier ein reales, in Entwicklung befindliches, System verwendet werden. Die gewonnenen Erkenntnisse gehen demnach auch nicht verloren, sondern wurden an das Projekt zur Weiterverarbeitung gemeldet.
Fallstudie Ausschreibung
Besonders bei Staats-nahen Betrieben in Bern spielt das Thema Ausschreibung von IT Leistungen eine grosse Rolle. Daher wurde eine im Frühling 2013 vom Bit durchgeführte Ausschreibung für Testleistungen im zweistelligen Millionenbereich als Fallstudie bearbeitet. Wiederum vom Studium der Ausschreibung, bis zur Beantwortung des enthaltenen Fragenkatalogs.
Dabei wurde der ganze Zyklus, vom Studium der Ausschreibung, über das Erstellen des Angebots bis hin zur Beantwortung des enthaltenen Fragenkatalogs.
Als Sahnehäubchen konnte der Leiter der Testabteilung des BIT (Bundesamt für Informatik und Telekommunikation), Michael Steger, zu einem Gastauftritt gewonnen werden und hat seine Sicht als Auftraggeber auf die Ausschreibung dargelegt.
Praxisbezug
Für Studenten an einer Fachhochschule spielt der enge Bezug zur Praxis eine hohe Rolle. Entsprechend habe ich viele Beispiele aus 10 Jahren Beratererfahrung in der Schweiz einbringen können. Zusätzlich habe ich zwei externe Referenten gewonnen.
Der Leiter der Testfactory der SBB, Bruno Linder, hat den Aufbau einer Testfactory dargelegt. Themen wie Outsourcing von Testaufträgen und der Einsatz von Testautomation und besonders seine strikte Verwendung der ISTQB Methodik waren interessante Highlights.
Eine teilweise deutlich andere Sichtweise hat Michael Steger, der Leiter des Testings vom Bit, eingebracht. Bei ihm stehen agile Projekte im Vordergrund, welche er mit der Methode „SET“ , welche unter Mithilfe der SwissQ entwickelt wurde, angeht.
Fazit
Ein wichtiges Ziel der Vorlesung war sicherlich, dass die Studenten auch die nicht einfache Prüfung zum zertifizierten Tester bestehen. Mein persönliches Anliegen war jedoch auch, dass sie wirklich was für ihre künftige Berufspraxis mitnehmen. Mit über 10 Jahren Erfahrung als Berater und knapp 15 Jahren in der IT konnte ich sehr in die Breite gehen. Der Zeitraum von zwei ganzen Wochen hat dabei genügend Luft für viel Hands On gelassen und so hoffentlich einen bleibenden Eindruck hinterlassen.
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